Aktuell *Ost Über Uns Archiv Impressum English




Von Susanne Firzinger.

Das tapfere Schneiderlein

Der junge serbische Modedesigner Bogomir Doringer wurde dieses Jahr für den „Kontakt. Fashion Award 2008“ nominiert. Auf dem Schulhof verkaufte er seine ersten Modekreationen. Inzwischen ist er auf internationalem Parkett erfolgreich. Der Weg dorthin war nicht immer einfach.

Bogomir Doringer arbeitet als Modedesigner und studiert Kunst in Amsterdam. Mode ist für den gebürtigen Serben nur eine von mehreren Formen, seine Kreativität auszudrücken – und ein einfacher Weg, Menschen für seine Anliegen zu interessieren. „ Ich mag es, mich selbst zu hinterfragen, mich mit unangenehmen Themen zu konfrontieren. Das macht mich glücklich.“ Doringer ist 25 Jahre alt und in Belgrad aufgewachsen. Zur Zeit des Krieges in Ex- Jugoslawien sah er Nachbarn sterben. Seine Familie war es gewohnt, sich von kaum mehr als umgerechnet fünf Euro in der Woche zu ernähren. Für Bogomir war der Krieg ein normaler, ein natürlicher Zustand. „Wie das Leben sein könnte oder sein sollte“, sah der junge Bogomir nur in den westlichen Fernsehprogrammen, die in Serbien zu empfangen waren. „ Der Westen ist mir immer wie eine Seifenblase vorgekommen – unrealistisch. Millionen Kilometer von der Welt entfernt, in der ich lebte.“ Sein Interesse für Medien und Manipulation stammt aus dieser Zeit.
Seine Karriere begann früh. Als Teenager hatte er die Idee für eine Jacke. Er fand eine professionelle Näherin, die in den Nachkriegswirren ohne Arbeit dastand und ihm das Kleidungsstück für wenig Geld nähte. Auf dem Schulhof erregte seine Kreation Aufsehen, ein Mitschüler bot ihm umgerechnet 25 Euro dafür an. Bogomir verkaufte sie ihm – und verlangte sie am nächsten Tag zurück. „Ich habe sie zu Werbezwecken getragen und bei der Näherin weitere Stücke bestellt.“ Am Anfang stellte Mode für ihn eine Art von Selbsttherapie dar, erzählt der Designer, und ein Mittel, um seine Umgebung zu provozieren: „Ich glaube, als Teenager war ich wie das tapfere Schneiderlein, die Figur aus dem Märchen. Mode war für mich ein einfacher Weg, um mit all den Prominenten, mit Politikern und Filmstars, in Kontakt zu kommen und sie mit unangenehmen Wahrheiten zu konfrontieren.“
Bereits mit 20 Jahren nahm Doringer an den Belgrader Modewochen teil. Die Organisatoren waren auf ihn aufmerksam geworden, weil das (falsche) Gerücht umging, er hätte eine Zeit lang in Tokio Mode studiert. Vor dem Vorstellungsgespräch fertigte Bogomir in Windeseile Modeentwürfe: „Beim Gespräch präsentierte ich mich so, als würde ich auf einen reichhaltigen Fundus an Erfahrung und an eigenen Stücken zurückgreifen können. Nachdem sie mich engagiert hatten, ging ich raus und dachte: Wow, ich habe zwei Wochen, um eine eigene Kollektion auf die Beine stellen! In Serbien musst du dich durchboxen, du musst für das, was du willst, kämpfen.“ Und Bogomir Doringer wollte raus. In den Westen. Seit 2005 studiert er Audiovisuelle Medien an der Gerrit Rietveld Universität in Amsterdam. 2007 präsentierte er eine Modekollektion auf der Berliner „Fashion Week“, 2008 erhielt er den ersten Preis für das beste Video und die beste Damenkollektion beim „World Fashion Film Festival“, Berlin/Paris.
Bogomir beschäftigt sich mit ernsten politischen und sozialen Themen. Mode ist für ihn ein Weg die Aufmerksamkeit des Publikums zu wecken um sie mit seinen Anliegen zu konfrontieren: "Mode hält sich immer brav im Abseits, sie gibt mir nicht genug Impulse, neuen Input. Kunst mit Mode zu überziehen - das ist womit ich mich gerade beschäftige."
Das Kunststudium hat ihm geholfen, seine Entwürfe von unnötigem Ballast zu befreien. „Alles, was ich tue, bringt mir neue Impulse, inspiriert mich. Ich bin niemals zufrieden mit dem, was ich geschaffen habe, und das gibt mir die Energie, immer wieder Neues anzugehen.“
Das Wichtigste, sagt Doringer, sei für ihn, die Person zu werden, die er sein möchte. „Erinnerst du dich an dieses Bild in deinem Kopf – dieses Bild einer Person, die du als Kind mal werden wolltest, wenn du erwachsen bist?“ Doringer lächelt. „Vergiss es nicht.“



Artikel erschienen in: REPORT. Magazin für Kunst und Zivilgesellschaft in
Zentral- und Osteuropa,Juli 2008

> Report online > Bogomir Doringer-